Nachrichten

Leila, die Regentin von Karthago

Montag, 17. Januar 2011 , von Freeman-Fortsetzung um 12:05

Leila, die zweite Frau des 74-jährigen Ex-Diktators, 20 Jahre jünger als er, wurde von der tunesischen Bevölkerung als "Regentin von Karthago" bezeichnet und war die wirkliche Macht hinter dem "Thron". Als ehemalige Friseurin aus bescheidenen Verhältnissen, hat sie ihre Familie der Trabelsi mit Intrigen, Skrupellosigkeit und Ehrgeiz zur mächtigsten Clique in Tunesien gemacht, die in jedem Geschäft ihr Hand drin hatte. Das führte dazu, dass sogar die Unterstützer von Ben Ali, seine Frau als untragbar hielten und hassten.

"Die ganze Macht und der Reichtum von Ben Ali wurde in der Familie konzentriert, speziell die von seiner Frau," sagte Saad Djebbar, ein arabischer politischer Analyst. "Er wurde so arrogant, er untergrub seine eigene Machtbasis, entfremdete seine Unterstützer in der Partei und in der Geschäftswelt."

Nach aussen gab sich die "First Lady" als progressivste Frau in der arabischen Welt, in dem sie Wohltätigkeitsorganisationen anführte und Feminismus und die Rechte der Frauen vertrat. Aber hinter den Kulissen führte sie ein pompöses und luxuriöses Leben, welches viele Kritiker mit dem von Imelda Marcos der Philippinen verglichen. Ausgedehnte Einkaufstouren nach Paris, Mailand und Dubai im eigenen Jet waren für sie alltäglich.

Obwohl die Tunesier die Exzesse gerüchteweise kannten, wurden viele Details unterdrückt, da die Medien des Landes unter starker Zensur litten und grösstenteils der Regentenfamilie gehört. Erst durch die Wikileaks-Berichte, welche der US-Botschafter Robert F. Godec verfasste, kamen Einzelheiten über den extravagante Lebensstiel zu Tage, verbreiteten sich wie ein Lauffeuer über das Internet, brachten das Fass zum Überlaufen. Versuche der Unterdrückung dieser Hintergründe wurden mit Widerstand quittiert, was dann in Demonstrationen endete.

So beschrieb Godec in einer Depesche, wie überschwänglich er ein Mittagessen im "Palast" des Schwiegersohnes und Milliardärs, Mohamed Sakher El Materi, erlebt hatte. Auf der Terrasse des Anwesens am Meer, das mit römischen Skulpturen und Kunstgegenständen vollgestopft ist, wurde Eiscreme und gefrorener Joghurt serviert, das extra aus St. Tropez eingeflogen wurde, einer der Lieblingsferienorte von El Materi. Sein Gastgeber hatte sogar einen Tiger als Haustier mit Namen "Pascha", der vier Hühner am Tag als Futter bekam.

Das alles im Gegensatz zu den normalen Tunesiern, die Mühe haben eine Arbeit zu finden und Essen auf den Tisch ihrer Familie zu bringen. Dazu noch die Erhöhung der Lebensmittelpreise und der Bakshish, der den Staatsdinern bezahlt werden muss, ob für das Betreiben eines Ladens, der Eintritt in eine Schule oder für den Erhalt eines Jobs.

Aber was die Bevölkerung noch wütender machte, war die offensichtliche Korruption und der Machtmissbrauch. Die Spitze des Staates verwandelte sich in eine Kleptokratie, wo der regierende Clan alles an sich riss und wie die Maden im Speck lebten. Der Unterdrückungsapparat um diese Macht aufrecht zu erhalten war allgegenwärtig zum spüren.

So baute der oben genannte Schwiegersohn, der die Tochter des Präsidenten, Nesrine, heiratete ein Imperium auf, bestehend aus Finanzen, Automobil, Tourismus, Immobilien, Medien und Landwirtschaft. Und das alles im Alter von 30 in nur 6 Jahren. Er wurde der zweitgrösste Importeur von Volkswagen nach Afrika und erhielt die offizielle Vertretung der deutschen Automarken Audi, Seat und Porsche, mit einem Umsatz von 250 Millionen Euro im Jahr. Dazu auch noch die Rechte von KIA Motors für Tunesien.

Leilas Bruder, Belhassen, besitzt eine Fluglinie, mehrere Hotels, zwei private Radiostationen und eine Montagefabrik für Autos. Der Botschafter notierte in seinem Bericht, viele ausländische Investoren fanden es sehr schwer Fuss zu fassen, ohne der regierenden Familie gezwungenermassen einen Anteil am Geschäft zu geben, genau wie bei der Mafia.

So hat McDonalds, die nicht gerade für ihre ethischen Geschäfts- praktiken bekannt sind, in Tunesien nicht landen können, weil sie sich weigerten einem Mitglied der "Familie" die Lizenz zu geben, wie in einer Botschaftsdepesche steht.

Der Präsident selber soll ein Vermögen von fast 4 Milliarden Euro haben. Wie viel davon er und die Trabelsi Familie in der Lage sein werden zu behalten, jetzt wo das Oberhaupt und seine Frau geflüchtet sind, wird man sehen.

Die tunesische Bevölkerung lässt nun seine Wut auf die „Familie“ aus, in dem sie deren ergaunertes Eigentum stürmt, durchwühlt und plündert. Mit Staunen besetzten sie die prunkvollen Villen und Anwesen, sehen den Überfluss und Luxus in denen die Geflüchteten gelebt haben. Geschäfte und Supermärkte die zum Clan gehören sind Ziel des Volkszorns geworden.

Nur, wer hat das alles jahrzehntelang gewusst und zugelassen? Es waren die USA und die europäischen Länder, mit Frankreich als ehemalige Kolonialmacht Tunesiens an der Spitze. Ausländische Tourismuskonzerne durften ihre Resorts bauen und die Urlaubssuchenden einfliegen. Industriekonzerne ihre Fabriken erstellen und die tunesischen Arbeiter mit tiefen Löhnen ausbeuten. Aus Sicht des Westens gehen Geopolitik, Kampf dem Terror und gute Geschäfte allemal vor Menschenrechte und Demokratie.

Ben Ali war ein guter Diktator der alles durfte, solange er aussenpolitisch das machte was sie von ihm verlangten. Jetzt wo ihr Partner gestürzt wurde, wird scheinheilig von Washington, London, Paris und Berlin so getan, wie wenn sie den Wandel befürworten. Widerwillig lassen sie ihn fallen wie eine heisse Kartoffel. Dabei war und ist ihnen das Schicksal des einfachen Tunesiers scheissegal.

Wir können nur hoffen, dass die Tunesier sich ihre Revolution nicht aus den Händen nehmen lassen und eine wirkliche Volksvertretung das Ruder übernimmt.

insgesamt 12 Kommentare:

  1. nnnnnnnn2010 sagt:

    Sehr gute Berichterstattung zu diesem Thema hier! Ja, Leila und ihr Clan sind die Schlimmsten. Möge sie an dem gestohlenen Gold ersticken!!!

    Schlimm ist, dass die alten Machthaber grossteils noch (wieder) im Parlament sitzen. Deshalb immer noch Demonstrationen auf der Strasse. Schaut euch mal die letzte Ansprache des Interim Ministerpräsenten Ghannouchi, eines alten Weggefährten von Ben Ali, an. Der Herr wirkt sehr nervös und macht auf mich einen gar nicht vertrauenswürdigen Eindruck. Er ist verhasst in Tunesien. Damit die Ereignisse in Tunesien eine positive Wendung nehmen, muss wirklich der ganze alte korrupte Clan seiner Macht enthoben werden!

  1. Anonym sagt:

    Leila & Imelda

    Imelda Marcos - die Frau des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos, die - so schätzt man - 20 bis 30 Milliarden ihres Vermögens, das sie dem Volk raubte, ins Ausland brachte, floh 1986 nach der philippischen 'Revolution' in die USA.

    Im Mai letzten Jahres wurde die Frau mit der größten Schuhsammlung (sie gründete sogar ein Schuhmuseum) wieder ins philippinische Repräsentantenhaus gewählt. Ihre Tochter sitzt dort auch schon. Ihr Sohn 'Bong-Bong' ist Gouverneur und ihr Neffe will es bald werden.

    Der ganze Clan ist wieder da, gaaaannz oben.

    Auf die Frage eines philippinischen Journalisten vor ein paar Jahren, ob es nicht an der Zeit sei, sich zu entschuldigen, Imelda:

    "Wofür? Sie (gemeint das Volk) sollten sich entschuldgen, denn was sie den Marcos abgenommen haben, ist mehr als unser Budget für 20 Jahre. Wer ist der Dieb? Nicht die Marcos!"

    Und dann setzte sie später noch einen drauf, was zeigt, zu welcher Verblendung Reichtum und Macht führen können:

    "Ich glaube, dass die Wahrheit siegen wird. Die Wahrheit ist Gott und wenn Sie auf der Seite der Wahrheit und Gott sind, wer kann dann gegen Sie antreten?"

    Sie haben immer Gott auf ihrer Seite.

    Und Leila, das Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das den Tunesiern das Gold geraubt hat?

    Wird sie in 20 Jahren auch wieder im tunesischen Parlament sitzen, zusammen mit ihrem Familienclan, Interviews geben und ein Schuh- oder vielleicht diesmal ein Handtaschenmuseum in Tunis eröffnen und sich weigern, sich zu entschuldigen?

    Warten wir's ab.

    Alles hängt davon ab, wie gründlich oder wie oberflächlich die tunesische Revolution mit der reichen Elite Schluss macht.

  1. George Orwells "Farm der Tiere" lässt grüssen. So geschehen in allen ehemaligen Ostblock- und anderen "Revolutions"ländern.

  1. 3DVision sagt:

    Sie sollen alle gehängt werden dieser scheiss Eliten-dreck.

  1. Weltkrise sagt:

    Ich bin gespannt wie sich nun die anderen Arabischen Länder halten werden.

    Man stelle sich vor Saudien Arabien, Kuweit und co. werfen die Amis raus.

    Glaub die Amis werden dann alles mögliche unternehmen ,

    Was China und Russland wohl nicht passen wird und die Ihre Finger ebenfalls dabei haben werden.

  1. neograf sagt:

    Sehr gute und vor allem SEHR aktuelle Artikel die letzten Tage.
    Wesentlich schneller und früher als die "etablierten" wie Spiegel usw.
    Ich bin begeistert!

    Jeder soll gefälligst Wissen, wie die Welt läuft, wie sich Eliten, Politiker und Lobbys bereichern, gegenseitig den Weg ebnen auf Kosten des "normalen" Volkes!

    Mich kotzt es so an.
    Zb. regen sich alle auf dass Hartz IV um nen Fünfer erhöht werden soll. Alles inszeniert. Eigentlich MÜSSTE das ganze um ca. 35€ erhöht werden. - Aber da fragt überhaupt keiner mehr nach! - Letztendlich sind die Abhängigen dann noch "froh" wenn sie diesen Fünfer bekommen, obwohl Strom, Lebensmittelpreise etc. exorbitant teurer werden.

    Ich hofe, es gibt noch viel mehr solcher Revolutionen die Aufdecken und einen Ruck verursachen.

    ASR ist eine gute Informationsquelle dafür.

    Danke. Lese jeden Tag.

  1. drdre sagt:

    Diese Entwicklungs sehen wir eigentlich bei allen diktatorisch regierten Ländern unter dem Mantel der Euro Staaten und der USA. Ob Kasai (Afg.), Ben Ali (Tun.) , Marcos, Baby Doc.. der jetzt wieder zum Abkassieren angereist ist in Haiti, die Hilfsgelder im Blick , wie auch viele andere die sich am Volksvermögen bedienen , wenns heiss wird sucht man sich ein ruhiges Exil und lebt in Saus und Braus. Konsequenzen: Keine.
    Aber auch hierzulande staunt man nicht schlecht, wenn die Gattin von Gerhard Schröder - Schröder Köpf im Aufsichtsrat von Karstadt sitzt... Qualifikationen hierfür.. Keine.
    Braucht man wohl auch nicht.. wenn man die nötigen Connections hat.
    Also schielen wir nicht immer aufs Ausland. Überall wird geschmiert.
    In manchen Ländern nur geschickter.

  1. Sehr guter Artikel!
    Leila, Imelda Marcos....wie mag es bei den Potentaten in den Nachbarländern aussehen?Ich denke ..ähnlich!Mubarak, Kadafi...Hassan.

    Aber auch die Ärmsten der Armen in Haiti bekommen einen Albtraum im Albtraum..
    BabyDoc-Duvalier ..ein Untoter kehrt zurück!
    Wieder mit Unterstützung der Amerikaner oder Franzosen?Was sagen die ach so demokratischen Länder in der westlichen Hemisphäre dazu?Halloooo! Ich höre nichts von euch...Merkel, Sarkozy,Berlusconi, Obama usw.
    Wo ist der Aufschrei der Journaille??Der Gutmenschen bei den grünen, linken....

  1. Anonym sagt:

    @Götz

    Picken wir uns mal einen aus deiner Liste heraus: Sarkozy. Le Petit Nicolas.

    Noch drei Tage vor dem Abgang von Ben Ali, schlug sein Innenminister Alliot-Marie vor, französische Spezialeinheiten nach Tunesien zu schicken, um Ben Alis Knüppelgarde zu helfen.

    2008: Sarkozy wird anlässlich seines Staatsbesuchs in Tunis von Ben Ali mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.

    Dann treten in Brüssel hochrangige Offizielle zusammen, darunter auch die von Sarko und beraten, wie man sich angsichts der Krise verhalten sollte. Frankreich will von einer neuen Taktik 'hin zur Demokratie' nichts wissen und blockt ab, muss sich dann aber dem Druck der anderen beugen. Jetzt zieht auch Sarko mit und bietet seine Hilfe bei der Aufspürung des von Ben Ali und seiner Frau Leila gestohlenen Goldes an und verweigert Ben Ali das französische Asyl.

    Einem französischen Analysten zufolge soll Sarko gesagt haben: 'A benign dictator is better than a hostile islamic regime.'

    Ein benigner, kein maligner Diktator also dieser gute Ben, kein Krebsgeschwür am Körper des tunesischen Volkes, sondern eine kleine, gutartige Wucherung und wertvoll obendrein gegen 'feindliche Islamisten'.

    Und die französischen 'Sozialisten', darunter Strauss-Kahn (heute IWF-Chef)? Auch er hat sich als Freund von Ben Ali erwiesen. Strauss-Kahn: Man könne nicht sagen, dass Ben Ali ein Diktator sei. Das sei 'übertrieben'. Strauss-Kahn (Bilderberger) wird heute schon als Nachfolger von Sarkozy gehandelt.

  1. UmAbdulJAvad sagt:

    Alles Heuchler erst unterstützen und dann Diktator nennen.

  1. Anonym sagt:

    Interessant vielleicht noch, welche Rolle Ben Ali nach 9/11 gespielt hat:

    Dieser Pawn des 'Krieges gegen den Terror' der Bush-Regierung rief nach den Ereignissen von New York die Vertreter aller arabischen Staaten in Tunis zusammen, um zu beraten, wie man Bush' Krieg gegen den Islam wirksam unterstützen könne. In Tunesien selbst, das zu 99% muslimisch ist, führte er dann das Verbot des Kopftuches, die Ausweispflicht für Betende in Moscheen, die Verpflichtung einen magnetischen Ausweis zu tragen und ihn vor Betreten der Moschee vorzuzeigen, und ähnliche Sachen ein. Der Führer der islamischen En Nahd-Partei ('Wiedergeburt') wurde ins Exil vertrieben, Tausende seiner Anhänger landeten in Ben Alis Foltergefängnissen.

    Jetzt ist die Stunde der Wahrheit für diese Tyrannen gekommen. Zieht euch warm an: In allen 22 arabischen Staaten stehen ähnliche Revolutionen auf der Tagesordnung.

  1. Anonym sagt:

    Die Rolle der Sozialistischen Internationale, in der auch die deutschen Sozialdemokraten organisiert sind:

    Die Partei Ben Alis, die RCD ('Rassemblement Constitutionnel Démocratique') ist jetzt von Papandreou aus der Sozialistischen Internationale ausgeschlossen worden. Der Grieche Papandreou hält dort zur Zeit den Vorsitz. Solange haben die Herrn 'Sozialisten' gebraucht, um ihrer Bruderpartei den Laufpass zu geben. Schöne Brüder, eine schöne Sippschaft! Alles haben sie gedeckt. Da seid ihr mall wieder hervorragend eurer Rolle als Tyrannen-Steigbügelhalter gerecht geworden.

    Immerhin wird es jetzt der Organisation schwerer fallen, sich wie damals in Portugal nach der Nelkenrevolution in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Damals, unter dem Vorsitz Willi Brandts, schafften sie es, die Revolutionäre aus dem portugiesischen Militär durch Mario Soarez zu verdrängen, der dann alles, was man schon eingeleitet hatte, um ein neues Regime zu installieren, die Verstaatlichungen, die Ansätze einer Basisdemokratie... wieder rückgängig zu machen.

    Mal sehen, was sie sich in puncto Tunesien ausdenken, um dort das Ruder in ihrem Sinne herumzureißen.

    Sigmar - auf nach Tunis, bring deine Freunde auf Nato-Kurs! Halte eine flammende Rede und begeistere die Tunesier für den Afghanistan-Krieg! Aber eher wird man dir wohl einen kräftigen Tritt in den Arsch geben, als das zuzulassen.