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Aserbaidschanisches Gas - Kommt zum grossen Teil aus Russland und vor allem aus dem Iran

Sonntag, 15. Oktober 2023 , von Freeman-Fortsetzung um 10:46

 




Auch die Monde diplomatique sollte es besser wissen......


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Die Europäer wollen ihre Beziehung zu Baku nicht gefährden, weil sie nach dem Embargo gegen Russland neue Gaslieferanten brauchen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigte Aserbaidschan bereits im Juli 2022 als wichtigen Energiepartner der Union. Bei ihrem Besuch in Baku unterzeichnete sie mit Alijew einen Vertrag über Gaslieferungen in die EU.


Diese Lieferungen haben sich bereits bis Ende 2022 um 30 Prozent erhöht. Und laut Vertrag soll sich die gelieferte Menge bis 2027 sogar verdoppeln. Die Europäer können zufrieden sein – auch wenn Baku im Verdacht steht, russisches Erdgas als aserbaidschanisches weiterzuverkaufen.


Ha ha ha, das ist vorwiegend iranisches Gas. oder Gas unter iranischer Beteiligung.  Wieso auch nicht, die Iraner verkaufen das uns gerne.

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BLOCKIERT IN BERGKARABACH


Die Kleinstadt Goris liegt rund vier Autostunden südöstlich der armenischen Hauptstadt Eriwan. Am 23. Januar 2023 haben sich hier ein paar hundert Geflüchtete aus Bergkarabach versammelt. Alle wollen zurück nach Hause, aber sie können nicht: Die armenische Bevölkerung der Enklave Bergkarabach, die von aserbaidschanischem Territorium umschlossen ist, bleibt von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten.


Seit dem 12. Dezember 2022 blockieren angebliche Umweltaktivisten aus Aserbaidschan den Latschin-Korridor, die einzige Verbindung zwischen Bergkarabach und Armenien (siehe Karte). Sie behaupten, die illegale Ausbeutung einer Goldmine verhindern zu wollen, tatsächlich dient ihre Aktion als Tarnung für eine vom aserbaidschanischen Militär unterstützte Blockade.


Im Hotel Goris warten ganze Familien darauf, in andere Hotels gebracht zu werden. Die Nachrichten von Verwandten, die in der Enklave festsitzen, lassen auf eine schwere humanitäre Krise schließen. Lebensmittelmarken wurden ausgegeben, Gas ist streng ra­tio­niert, weil Aserbaidschan immer wieder die Leitungen kappt.1 Auch Strom und Internet wurden zeitweilig abgeschaltet.


Mariana aus Stepanakert, der Hauptstadt von Bergkarabach, sitzt auf dem Ledersofa in der Lobby. Obwohl sie einen Fuß in Gips hat, möchte sie nach Hause. Auch ein altes Paar hofft, dass die Straße bald wieder aufgemacht wird. Aus den Lautsprechern kommt traditionelle armenische Musik.


Die Schlinge um den De-facto-Staat, der sich selbst als Republik Arzach bezeichnet, zieht sich immer weiter zu. Aserbaidschan möchte die Region wieder in sein Territorium integrieren. Zu Zeiten der Sowjetunion hatte Bergkarabach einen Autonomiestatus innerhalb der Sowjetrepublik Aserbaidschan. Als die UdSSR 1991 zerbrach, erklärte Bergkarabach seine Unabhängigkeit, was den ersten armenisch-aserbaidschanischen Krieg (1991–1994) auslöste.


Damals besetzte Armenien sieben an die Enklave angrenzende Distrikte, erklärte sich zur Schutzmacht von Karabach und kontrollierte die lokale Regierung. Aserbaidschan beklagte eine Verletzung des internationalen Rechts, das die sowjetischen Grenzen als Grenzen der neuen unabhängigen Staaten anerkennt. Nachdem der Friedensprozess jahrelang nicht vorangekommen war, beschloss Aserbaidschan im September 2020 mit Rückendeckung der Türkei, das verlorene Territorium zurückzuerobern.


Unter dem Druck Moskaus verzichtete der aserbaidschanische Präsident İlham Alijew auf die Eroberung der Hauptstadt Stepanakert. Am 9. November 2020 unterzeichneten Armenien, Aserbaidschan und Russland ein Waffenstillstandsabkommen. Das erlaubte die Stationierung einer russischen Friedenstruppe rund um die Enklave, die in dem Krieg ein Drittel ihrer Fläche verloren hatte.


Moskau entsandte 2000 Soldaten, um die armenische Bevölkerung Berg­kara­bachs2 zu beschützen und den Latschin-Korridor zu sichern. Das Abkommen war ein diplomatischer Erfolg Russlands, das seine Position als Gendarm im Kaukasus festigen konnte. Zugleich machte es den Vermittlungsauftrag der Minsker Gruppe obsolet, der unter anderem die USA und Frankreich angehörten.


Seit Ende letzten Jahres wird der Status quo erneut infrage gestellt. Der armenische Ministerpräsident Nikol Pachinian bezeichnete die Politik Bakus als „Versuch der ethnischen Säuberung“. Zuvor hatten die aserbaidschanischen Behörden erklärt, für Menschen, „die nicht Bürger Aserbaidschans werden wollen“,  sei die Straße in Richtung Armenien offen. Am 22. Februar forderte der Internationale Gerichtshof (IGH) Aserbaidschan auf, die Blockade des Korridors zu beenden.


Derzeit können nur Fahrzeuge des internationalen Roten Kreuzes die Enklave erreichen. Viele fürchten, der Korridor werde zu einer Einbahnstraße ins endgültige Exil. „Die Aserbaidschaner werden den Druck weiter erhöhen, bis die Bevölkerung allmählich aufgibt, die Schwächsten zuerst“, erwartet Valentin Mahou-Hekimian, der Regionalkoordinator des Südkaukasus für die NGO Médecins du monde.


Die Blockade des Latschin-Korridors beeinflusst auch die derzeitigen Verhandlungen über einen umfassenden Friedensvertrag zwischen Arme­nien und Aserbaidschan. Sie dient Baku als Instrument, Eriwan im Hinblick auf einen anderen Korridor unter Druck zu setzen. Die Aserbaidschaner interessieren sich für den Korridor von Sangesur (wie sie die Provinz Sjunik im äußersten Südosten Armeniens nennen). Der würde eine Verbindung mit ihrer Exklave Nachitschewan und dem Osten der Türkei eröffnen, führt aber durch armenisches Territorium.


„Wir werden den Sangesur-Korridor einrichten, ob Armenien will oder nicht“, hatte Alijew schon 2021 gewarnt.3 Für die französische Politikwissenschaftlerin Taline Papazian will Aserbaidschan den Korridor schaffen, „um eine künstliche Gleichwertigkeit zwischen Arzach und Nachitschewan herzustellen“. Nach dieser Logik könnte Eriwan die Blockade des Latschin-Korridors durch Zugeständnisse beim Sangesur-Korridor beenden.


Gemeinsame Manöver mit der Türkei

Aserbaidschan forderte zunächst, die armenischen Grenztruppen sollten sich von dem entsprechenden Gebietsstreifen zurückziehen und durch russische Soldaten abgelöst werden. Eriwan verweigert diese Aufgabe von Souveränität, weil man Baku nicht zu weiteren Forderungen ermutigen will.


Aus armenischer Sicht geht es tatsächlich um weit mehr als um den Zugang zu den Enklaven beider Länder. Für die armenische Historikerin Tatev Hayrapetyan ist die Korridorfrage „nicht zu trennen vom territorialen Anspruch der Türkei und Aserbaidschans auf Sjunik“, das in Ankara und Baku auch Westaserbaidschan genannt wird.


Im Februar hat Aserbaidschan der Einrichtung armenischer Checkpoints im zukünftigen Sangesur-Korridor zugestimmt, ohne jedoch die Blockade von Bergkarabach aufzuheben, dessen Reintegration für Baku nun Priorität hat. Solche kleinen Zugeständnisse ändern auch nichts an den Zielen der aserbaidschanischen Politik: Seit der Wiederaufnahme einzelner Grenzgefechte im Mai 2021 gehen Bakus Ambitionen weit über die begrenzten Ziele des Kriegs von 2020 hinaus. Damals wollte Aserbaidschan lediglich die Souveränität über die 1994 verlorenen Territorien zurückerlangen.


Am 13. September 2022 beschoss die aserbaidschanische Armee die grenznahe armenische Stadt Dschermuk mit Raketen. Zudem besetzte sie die Höhen entlang der Grenze auf einer Breite von 200 Kilometern. Damit sind etwa 200 000 Menschen bedroht, die in den südlichen Provinzen Gegharkunik, Wajos Dsor und Sjunik wohnen und vom Rest Armeniens abgeschnitten werden könnten. Zuletzt griffen aserbaidschanische Soldaten am 11. April nahe dem Latschin-Korridor das Dorf Tegh an. Bei dem mehrstündigen Feuer­gefecht starben sieben armenische Soldaten.


Aserbaidschan will mit solchen Drohgesten einen Friedensvertrag zu seinen Bedingungen erzwingen. Eriwan wiederum verlangt – bislang vergeblich – politische und kulturelle Rechte für die Bevölkerung von Bergkarabach sowie Garantien für ihre Sicherheit, also Demilitarisierung und internationale Beobachter. Baku hält dem entgegen, über innere Angelegenheiten gebe es nichts zu verhandeln, und will stattdessen einen direkten Dia­log mit den Vertretern Bergkarabachs erzwingen. Das würde bedeuten, dass diese keinerlei Unterstützung von außen mehr hätten.4


Im Dezember 2022 hielten Militäreinheiten Aserbaidschans und der Türkei gemeinsame Manöver an der Grenze zu Iran ab. Laut Hayrapetyan wollten sie damit „die Reaktion Teherans im Fall eines militärischen Angriffs auf Armenien testen, speziell in der Region Sjunik“. In Iran lebt eine aserbaidschanische Minderheit von etwa 17 Millionen Menschen. Das Regime in Teheran registriert besorgt, dass der Nachbar im Norden zur Rückeroberung von „Südaserbaidschan“ aufruft – was auf Gebiete in Nord­iran zielt.


Im Januar 2022 warnte der iranische Botschafter in Armenien: „Die Sicherheit Armeniens ist die Sicherheit Irans.“ Ende 2022 fanden auch große iranische Militärmanöver statt. Im Januar 2023 wurden Anschläge auf die aserbaidschanische Botschaft in Teheran verübt, für die Baku postwendend die Iraner verantwortlich machte.


Die Nervosität Irans rührt auch von der verstärkten militärischen Zusammenarbeit zwischen Baku und Teherans Erzfeind Israel. Die israelische Zeitung Haaretz enthüllte Anfang März, dass Tel Aviv während der Kämpfe der letzten Monate auch Waffen an Baku geliefert hatte.5


Seit 2020 musste man in Armenien registrieren, dass das Militärbündnis mit Russland nicht die versprochene Sicherheit gebracht hat. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), die Moskau zum Äquivalent der Nato im postsowjetischen Raum ausbauen will, hat Eriwan nicht unterstützt, obwohl Armenien1992 eines ihrer Gründungsmitglieder war.


2020 erklärte Moskau, der Bündnisvertrag decke keine Gebiete ab, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörten. Nach den Angriffen von 2022 hielt sich Russland ebenfalls zurück, wobei der Vorwand jetzt lautete, die Grenze zwischen den beiden Ländern sei noch nicht festgelegt. Ein Teil der armenischen Bevölkerung fühlt sich von Moskau im Stich gelassen.


Im November 2022 demonstrierten am Rand des OVKS-Treffens in Eriwan, an dem auch Wladimir Putin teilnahm, einige hundert Menschen gegen den Kreml – eine Seltenheit in dem traditionell russlandfreundlichen und wirtschaftlich von Moskau abhängigen Land. Die Protestierenden auf dem Opernplatz schwenkten ukrainische Fahnen. In ­Kiew zeigte man sich allerdings wenig begeistert, denn die Ukraine steht in dem Konflikt auf der Seite Aserbaidschans. Kiew besteht auf der Respektierung der Grenzen aus Sowjetzeiten und sieht in den armenischen Ansprüchen auf Bergkarabach eine Parallele zur Annexion der Krim durch Russland.


Beim letzten OVKS-Gipfel im November weigerte sich Pachinian die Abschlusserklärung zu unterzeichnen und erklärte vor laufenden Kameras: „Das Fehlen einer klaren politischen Bewertung der Situation könnte nicht nur bedeuten, dass die OVKS ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachkommt. Aserbaidschan könnte es auch als grünes Licht für einen neuen Angriff auf Armenien interpretieren …“


In dieser verzweifelten Lage wendet sich Eriwan dem Westen zu. Auf Bitten der armenischen Regierung hat die EU im Oktober 2022 bis Jahresende eine Beobachtermission entsandt. Eine zweite Mission ist seit dem 20. Februar 2023 im Norden, Westen und Süden Armeniens stationiert. Sie besteht aus 100 vorwiegend deutschen und französischen Polizeikräften, von denen 50 bewaffnet sind.


Wenige Tage nach der Ankündigung der europäischen Mission veröffentlichte die russische Botschaft in Eriwan ein scharfes Kommuniqué: „Die Versuche der Europäischen Union, um jeden Preis in Armenien Fuß zu fassen und die Vermittlungsversuche Russlands zu unterlaufen“, könnten die Bemühungen der Armenier und der Aserbaidschaner beeinträchtigen, „zu einer friedlichen Entwicklung in der Region zurückzukehren.“ Auch die Besuche von CIA-Direktor William Burns im Juli und Nancy Pelosi im September letzten Jahres wurden in Moskau und Baku als Provokation angesehen.


Dass die Konkurrenz zwischen Russland und dem Westen in Sachen Bergkarabach neu entflammt, lässt die Regierung in Baku kalt. Die verfügt über Druckmittel gegen Moskau wie gegen Brüssel. Im Februar 2022 unterzeichneten Alijew und Putin einen Kooperations- und Nichtangriffsvertrag. Darin verpflichtet sich Russland zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Aserbaidschans, während Baku die Führungsrolle Moskaus im postsowjetischen Raum anerkennt und Neutralität im Ukrainekrieg zusichert.


Die Europäer wollen ihre Beziehung zu Baku nicht gefährden, weil sie nach dem Embargo gegen Russland neue Gaslieferanten brauchen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigte Aserbaidschan bereits im Juli 2022 als wichtigen Energiepartner der Union. Bei ihrem Besuch in Baku unterzeichnete sie mit Alijew einen Vertrag über Gaslieferungen in die EU.


Diese Lieferungen haben sich bereits bis Ende 2022 um 30 Prozent erhöht. Und laut Vertrag soll sich die gelieferte Menge bis 2027 sogar verdoppeln. Die Europäer können zufrieden sein – auch wenn Baku im Verdacht steht, russisches Erdgas als aserbaidschanisches weiterzuverkaufen.


1 Bashir Kitachayev, „What’s next for the Azerbaijani blockade of Nagorno-Karabakh?“, OpenDemocracy, 25. Januar 2023.


2 Die Bevölkerungszahl wird auf 90 000 bis 150 000 geschätzt. Seit 1989 gab es keine Volkszählung.


3 „What will become of the Zangezur corridor? Comments from Azerbaijan and Armenia“, Jam News, 21. April 2021.


4 „Azerbaijan-Karabakh dialogue is happening“, Eurasianet, 2. März 2023.


5 Avi Scharf und Oded Yaron, „92 Flights From Israeli Base Reveal Arms Exports to Azerbaijan“, Haaretz, 6. März 2023.


Aus dem Französischen von Claudia Steinitz


Constant Léon ist Journalist.



Le Monde diplomatique vom 11.05.2023, von Constant Léon

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