Korruptes Land im Osten - Typische ukrainische Hybris - Hier nach Demokratie schreien und zu Hause ?
Selenskyjs Botschafterin in Bern liess kritische ukrainische Zeitung schliessen
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Am 8. November 2021 wurde «ein wichtiges und wirklich unabhängiges Medium in der Ukraine zerstört». So erinnert sich der in Kiew lebende amerikanische Journalist Brian Bonner heute noch an einen der traurigsten Momente in seinem Leben. An diesem Novembertag wurde in der Ukraine die Einstellung der englischsprachigen Wochenzeitung «Kyiv Post» beschlossen. Chefredaktor Bonner und weitere 50 Journalistinnen und Journalisten wurden entlassen.
Dafür verantwortlich laut Chefredaktor Bonner: Irina Wenediktowa. Die damalige Generalstaatsanwältin der Ukraine habe sich über die kritische Berichterstattung der «Kyiv Post» geärgert und den Eigentümer der «Kyiv Post», einen Bauunternehmer aus Odessa, so sehr unter Druck gesetzt, dass dieser schliesslich das Handtuch geworfen habe, sagt Bonner. Weder der Bauunternehmer noch Wenediktowa reagieren auf die Bitte dieser Zeitung um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen.
Die Schweiz ist für sie der «ideale Staat»
Dabei spricht die Ukrainerin in letzter Zeit häufiger mit Schweizer Medien. Seit Januar 2023 ist Wenediktowa Botschafterin der Ukraine in Bern, und sie ist deutlich mehr als ihr Vorgänger um Aufmerksamkeit für sich und für ihr Land bemüht. Die 44-jährige Wenediktowa besucht diplomatische Empfänge, Wirtschaftsforen und Sportevents, sie trifft ukrainische Flüchtlinge und organisierte den Videoauftritt von Präsident Wolodimir Selenski im Parlament. In einem Interview mit der NZZ schwärmte sie von der Schweiz als «idealem Staat». In Schweizer Medien wurde sie als energische Kämpferin für Gerechtigkeit und als «Oligarchenjägerin» porträtiert.
Oligarchenjägerin? «Das war sie sicherlich nicht», entgegnet Oleksi Sorokin, Journalist bei der Onlinezeitung «Kyiv Independent»: Wenediktowas Reputation in der Ukraine sei «ziemlich übel». Für unabhängige Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft steht ihr Name stellvertretend für das Versagen der Regierung unter Präsident Selenski, die Justiz zu reformieren, die grassierende Korruption zu bekämpfen und korrupte Oligarchen vor Gericht zu bringen.
Wenediktowa «sabotiert den Rechtsstaat», klagte im Dezember 2020 der bekannte Journalist Serhi Leschtschenko in einem Meinungsbeitrag in der «Kyiv Post». Er habe seine Meinung nie geändert, sagt Leschtschenko heute. Der ehemalige Chefredaktor Brian Bonner kennt «keinen einzigen Fall, den Wenediktowa als Generalstaatsanwältin abgeschlossen hat». Im Gegenteil: Sie habe dafür gesorgt, dass etliche Ermittlungen gegen prominente Verdächtige eingestellt worden seien. Wenediktowa sei aus politischen Gründen zur Generalstaatsanwältin bestellt worden, sagt Tetjana Schewtschuk, Rechtsanwältin bei der NGO Antikorruptionsaktionszentrum: «Sie war nie wirklich unabhängig.»
Nummer 3 auf Selenskis Liste
In die Politik kam Wenediktowa relativ spät. Die Tochter eines Richters im ostukrainischen Charkiw machte Karriere an der rechtswissenschaftlichen Fakultät ihrer Heimatstadt, wo sie Handels- und Zivilrecht unterrichtete. 2018 lernte sie Wolodimir Selenski kennen und schloss sich seiner neuen Partei Diener des Volkes an. 2019 wurde Selenski zum Präsidenten und Wenediktowa in die Werchowna Rada, das Parlament in Kiew, gewählt. Sie hatte als Kandidatin Nummer 3 auf Selenskis Liste kandidiert und bekam in der Rada den Vorsitz der Kommission für Rechtsfragen. Wenige Monate später beförderte Selenski sie zur provisorischen Leiterin einer der wichtigsten Ermittlungsbehörden des Landes, des Staatlichen Ermittlungsbüros (DBR).
Dort machte sie allerdings sehr schnell negative Schlagzeilen: Als neue Chefin bestellte Wenediktowa ausgerechnet zwei Männer zu ihren Stellvertretern, die zuvor in enger Verbindung zum ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch gestanden hatten: der eine als dessen Anwalt, der andere als Mitarbeiter des Geheimdiensts. Janukowitsch war 2014 in der Maidan-Revolution aus dem Amt gejagt worden und flüchtete nach Moskau. Zuvor hatte seine Polizei in Kiew an die hundert Demonstrantinnen und Demonstranten erschossen.
Die Angehörigen der Maidan-Opfer protestierten nun wütend gegen Wenediktowas Personalpolitik: Ihr Vertrauen in die Behörde sei «in Stücke zerschmettert worden», klagten sie in einem offenen Brief. Doch Wenediktowa liess sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen. Ihre Kandidaten seien durchleuchtet und von einer Kommission ausgewählt worden, erklärte sie im Parlament.
«Wenediktowa wollte mich einschüchtern und drohte mit einer Verleumdungsklage.»
Trotz dieser Kritik macht Wenediktowa schnell Karriere. Chefin des DBR war sie gerade einmal vier Monate. Dann schaffte sie den Sprung nach ganz oben. Ihr Mentor, Präsident Selenski, kämpfte ein Jahr nach seiner Wahl mit einem massiven Vertrauensverlust im eigenen Land und im Westen. Das lag vor allem an der grassierenden Korruption in der Ukraine, die er entgegen allen Wahlversprechen nicht in den Griff bekam.
Selenski brauchte dringend ein neues Gesicht als Signal, dass er es mit den angekündigten Reformen ernst meinte. Im März 2020 setzte der Präsident Wenediktowa auf einen der wichtigsten Posten in der Justiz: Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt zwar nicht selbst, aber sie entscheidet, ob die Ergebnisse von Ermittlungsbehörden wie dem Nationalen Antikorruptionsbüro Nabu zu Anklagen führen.
Das ukrainische Parlament bestätigte die Ernennung Wenediktowas zur Generalstaatsanwältin mit grosser Mehrheit. In der Zivilgesellschaft und in den Medien regte sich aber bald Kritik an ihrer Arbeit. «Top-Staatsanwältin blockiert grosse Fälle und hat keine Erfolge vorzuweisen» titelte die «Kyiv Post» im November 2020. Wenediktowa zitierte daraufhin den Chefredaktor in ihr Büro. Sie sei «richtig zornig gewesen», erinnert sich Brian Bonner an das eineinhalbstündige Gespräch: «Sie witterte eine Verschwörung, wollte mich einschüchtern und drohte mit Verleumdungsklage.»
Vorwurf der Justizbehinderung
Auch ukrainisch- und russischsprachige Medien gingen mit Wenediktowas Arbeit hart ins Gericht. Für Aufregung sorgte vor allem die Einstellung der Ermittlungen gegen den stellvertretenden Leiter der Präsidentschaftskanzlei, Oleh Tatarow. Das war im Dezember 2020. Tatarow wurde verdächtigt, als Anwalt einer grossen Baufirma Bestechungsgeld gezahlt zu haben. Tatarow dementiert die Anschuldigungen. Das Antikorruptionsbüro Nabu hatte Beweise gesammelt, dennoch übergab Wenediktowa den Fall einer anderen Behörde, welche die Ermittlungen schnell einstellte. «Für uns sah das nach Behinderung der Justiz aus», sagt Rechtsanwältin Tetjana Schewtschuk.
Auch in anderen Fällen wurde Wenediktowa von den Medien beschuldigt, Ermittlungen zu behindern oder zu unterdrücken. Ob die Vorwürfe gerechtfertigt waren, bleibt offen. Diese Redaktion schickte der heutigen Botschafterin in Bern eine Frageliste und versuchte auch, sie telefonisch zu erreichen. Antworten kamen jedoch nicht.
Im September 2021 zählte die «Kyiv Post» abermals hochkarätige Verdachtsfälle von Korruption auf, die von der Generalstaatsanwältin blockiert worden seien. Dieses Mal beliess es Wenediktowa nicht mit einer Standpauke für den Chefredaktor. Sie habe gegen die Firmen des Zeitungsbesitzers Strafermittlungen eingeleitet, erzählt Brian Bonner: «Die Vorwürfe waren völlig unbegründet, sendeten aber eine klare Botschaft aus: Du kannst zwischen deinen Unternehmen und deiner Zeitung wählen.» Der Chefredaktor und sein Team wurden vor die Tür gesetzt. Die meisten Journalistinnen und Journalisten machen seither mit dem Onlinemagazin «Kyiv Independent» weiter. Auch die «Kyiv Post» erscheint wieder, mit neuem Team, online, und kaum noch regierungskritisch.
Die Kritik an der Arbeit der Generalstaatsanwältin riss damit nicht ab. Im Juli 2022 verkündete Präsident Selenski Wenediktowas Abberufung. Wieder stimmte das Parlament zu. Gleichzeitig mit Wenediktowa wurde der Chef des Inlandsgeheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, entlassen. Grund dafür sei die Kollaboration etlicher Mitarbeiter des Geheimdiensts und der Generalstaatsanwaltschaft mit Russland: Sie hätten mit Informationen der russischen Armee bei der Invasion der Ukraine geholfen.
Selenski lässt niemanden fallen
Wird sie in der Schweiz auf die Gründe ihrer Entlassung angesprochen, weicht Wenediktowa aus: Sie spreche weiterhin im Namen des Präsidenten, sagte sie der NZZ. Dass die gefallene Generalstaatsanwältin auf einem Botschafterposten landete, interpretiert die Rechtsanwältin der Antikorruptionsaktionsgruppe, Tetjana Schewtschuk, als Signal an andere Problemfälle im Umfeld des Präsidenten: Ihr müsst euch nicht um eure Zukunft sorgen.
Warum aber wurde Wenediktowa ausgerechnet nach Bern geschickt? «Vermutlich stuft das Büro des Präsidenten das Verhältnis zur Schweiz nicht als prioritär ein», vermutet Schewtschuk: «Die Schweiz ist neutral, Waffenlieferungen sind kein entscheidendes Thema. Da kann sie nicht viel falsch machen.»
Mitarbeit: Olha Petriv
Seit dem Zerfall der Sowjetunion war jedem klar,dass sich die UdSSR Staaten von ihrem System also alles für die Partei und einer kleinen Gruppe auserwählter die sich bereichern,nicht trennen möchten