Die Bundeswehr nimmt im Sommer mit Landstreitkräften an einer Kriegsübung in Australien teil und knüpft damit an ihre Marine- und Luftwaffenmanöver in der Asien-Pazifik-Region an.

CANBERRA/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr bereitet sich auf die Entsendung von Landstreitkräften zu einem Großmanöver in die Asien-Pazifik-Region vor. Wie aus der Truppe berichtet wird, wird in diesem Sommer erstmals „neben Kräften des Seebataillons und der Luftwaffe“ auch eine Infanteriekompanie des Heeres zu der Kriegsübung Talisman Sabre 2023 nach Australien entsandt. Die Talisman Sabre-Manöver werden seit 2005 alle zwei Jahre durchgeführt; sie gelten als größte gemeinsame Trainingsmaßnahmen Australiens und der Vereinigten Staaten. Beteiligt sind unter anderem Japan und Südkorea sowie laut Berichten auch Frankreich, dessen Kolonie Neukaledonien nicht weit vom Manövergebiet liegt; dieses umfasst Teile von Australiens Bundesstaat Queensland sowie des Korallenmeers. In den vergangenen beiden Jahren hatte die Bundeswehr Einheiten zu Kriegsübungen in die Asien-Pazifik-Region entsandt: vom August 2021 bis zum Februar 2022 die Fregatte Bayern, im Sommer 2022 ein Geschwader der Luftwaffe. Beides wird im nächsten Jahr fortgesetzt. Die Asien-Pazifik-Manöver finden parallel zu neuen NATO-Aktivitäten in der Region statt – und verschärfen den eskalierenden Machtkampf gegen China.

Talisman Sabre

Manöver der Serie Talisman Sabre werden von den Streitkräften Australiens und der Vereinigten Staaten seit 2005 alle zwei Jahre gemeinsam abgehalten. Regelmäßig nehmen Land-, Luft- und Seestreitkräfte beider Staaten teil. Zudem werden Truppen aus weiteren Ländern eingebunden. Die Übungsserie gilt als das größte gemeinsame Militärtraining der USA und Australiens. Manöverschauplätze sind gewöhnlich der Bundesstaat Queensland im Nordosten Australiens sowie das vor dessen Küste liegende Korallenmeer. In der Vergangenheit kam es mehrfach zu Protesten, weil das Manöver unter anderem das Great Barrier Reef zu schädigen droht.[1] Vor zwei Jahren waren rund 17.000 Soldaten aus sieben Staaten an der Übung beteiligt. Im Jahr 2017 probten alles in allem rund 30.000 Militärs aus den USA, Australien, Neuseeland, Kanada und Japan das größte Landemanöver unter Beteiligung australischer Truppen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein beteiligter US-Offizier kommentierte Talisman Sabre 2021 mit dem Hinweis, das Manöver habe gezeigt, dass die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Verbündeten am Pazifik in der Lage seien, schlagkräftige Marineeinheiten zu formen – und zwar „binnen Tagen“.[2]

Luftbewegliche Operationen

An Talisman Sabre 2023, das laut Angaben der australischen Streitkräfte vom 21. Juli bis zum 4. August stattfinden soll, nimmt zum ersten Mal Deutschland teil. Wie die Bundeswehr mitteilt, wird „neben Kräften des Seebataillons und der Luftwaffe … eine Infanteriekompanie des Heeres“ zu der Kriegsübung nach Australien entsandt.[3] Dort solle sie unter anderem „unter Führung eines australischen Großverbandes in einem herausfordernden Szenario luftbewegliche Operationen durchführen“. Dies geschehe in „Zusammenarbeit mit weiteren Partnern in der Region“. Genannt werden neben den USA und Australien Japan, Südkorea und Indonesien. Laut Berichten nimmt an dem Manöver auch Frankreich teil, das Stützpunkte und Truppen in seiner Kolonie Neukaledonien im Südosten des Korallenmeers unterhält.[4] Darüber hinaus ist es den Vereinigten Staaten offenkundig gelungen, drei Staaten aus der pazifischen Inselwelt – Neuguinea, Fidschi und Tonga – in die Übung Talisman Sabre 2023 einzubinden.[5] Das ist insofern von einiger Bedeutung, als der eskalierende Machtkampf zwischen den USA und China längst die Pazifikinseln erreicht hat (german-foreign-policy.com berichtete [6]).

Koloniale Welten

Mit der Beteiligung an Talisman Sabre 2023 baut die Bundeswehr ihre Präsenz in der Asien-Pazifik-Region weiter aus. Den Anfang hatte die Fregatte Bayern gemacht, die im August 2021 zu einer ausgedehnten Asien-Pazifik-Fahrt aufbrach und bis zu ihrer Heimkehr im Februar 2022 unter anderem Australien, Japan und mehrere Pazifikinseln besuchte, darunter die US-Kolonie Guam. Guam ist ein zentraler US-Stützpunkt beim militärischen Aufmarsch gegen China.[7] Die Fregatte Bayern hatte zuvor einen Tankstopp auf Diego Garcia eingelegt, einer Insel im Indischen Ozean, die laut dem Urteil zweier UN-Gerichtshöfe völkerrechtswidrig von Großbritannien als Kolonie gehalten wird. Sie dient den Vereinigten Staaten als zentraler Militärstützpunkt für Operationen rings um den Indischen Ozean.[8] Einen Abstecher zu den französischen Kolonien Neukaledonien und Französisch-Polynesien unternahm die Fregatte Bayern nicht. Im kommenden Jahr wird die Deutsche Marine erstmals einen kleinen Flottenverband in den Pazifik entsenden – „mit eingeschifftem Stab, durch den Panamakanal“, teilte Marineinspekteur Jan Christian Kaack im Juni 2022 mit.[9] Der Weg vom Panamakanal durch den Pazifik führt, nimmt man eine südliche Route, an Französisch-Polynesien vorbei.

Eine Machtdemonstration

Im vergangenen Jahr hat auch die Luftwaffe erstmals an Kriegsübungen in der Asien-Pazifik-Region teilgenommen. Dazu entsandte sie im August 2022 im Rahmen der bislang größten Verlegung in ihrer Geschichte 13 Luftfahrzeuge – Kampfjets, Transport- und Tankflugzeuge – zunächst zu den Großmanövern Pitch Black und Exercise Kakadu nach Australien. An Pitch Black, der größten Kriegsübung der Luftstreitkräfte Australiens mit internationaler Beteiligung, nahmen rund 2.500 Soldaten aus 17 Staaten mit etwa 100 Militärflugzeugen teil. Exercise Kakadu integrierte mehr als 3.000 Soldaten aus 25 Staaten mit 19 Kriegsschiffen und 34 Militärflugzeugen.[10] Anschließend verlegten jeweils mehrere deutsche Eurofighter zu Übungen nach Singapur, Japan und Südkorea. Die gesamte Verlegung könne, erklärte Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz damals, durchaus als „Machtdemonstration“ („Show of Force“) verstanden werden.[11] Gerhartz und der Stabschef der japanischen Luftwaffe, Shunji Izutsu, kündigten zum Abschluss ihrer gemeinsamen Übungen Ende September 2022 an, die bilaterale Militärkooperation spätestens im Rahmen des Luftwaffenmanövers Pitch Black 2024 weiterzuführen.[12]

„Great Power Competition“

Die Bundeswehr unterfüttert ihre verstärkte Manövertätigkeit in der Asien-Pazifik-Region, indem sie ihren Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN) 2021 mit dem Thema „Great Power Competition im Indo-Pazifik – Möglichkeiten und Grenzen für Aufgaben und Beiträge deutscher Streitkräfte“ befasst hat. Der LGAN dient der Ausbildung des militärischen Führungspersonals; er wird an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg durchgeführt und dauert zwei Jahre. Der LGAN 2021 wird die Resultate seiner Arbeit im Juni dieses Jahres präsentieren. Während seiner Arbeit stimmt er sich über Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn inhaltlich eng mit der politisch-militärischen Führung in Berlin ab. Zwar werde die Bundeswehr auch in Zukunft ihren Schwerpunkt in Europa haben, heißt es aus dem LGAN im Hinblick auf den erbittert geführten Machtkampf gegen Russland.[13] Dennoch müsse sie fähig sein, auch in der Asien-Pazifik-Region zu operieren. Dabei werde man weitgehend „dem Prinzip des Minilateralismus“ folgen, heißt es weiter aus dem LGAN – auf informelle Kooperation mit einzeln ausgewählten Staaten. Als tragende Säulen können die beiden Staaten gelten, mit denen die Bundeswehr im Rahmen ihrer Asien-Pazifik-Manöver besonders eng kooperiert – Japan und Australien.

Militärisch unterfüttert

Die deutschen Asien-Pazifik-Manöver finden parallel zu neuen Aktivitäten der NATO in der Region statt, die den Machtkampf des Westens gegen China militärisch unterfüttern. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.

[1] Military exercises put the Great Barrier Reef in danger – Media Release 15 July 2021. ipan.org.au.

[2] Dzirhan Mahadzir: Admiral: Talisman Sabre Proves U.S., Allies Can Create Pacific Naval Force in Days. news.usni.org 29.07.2021.

[3] Übungen sind die Währung der Abschreckung. bundeswehr.de 13.02.2023.

[4] Sam LaGrone: Australians, French Avoid AUKUS Talk in Paris Ministerial Meeting, Commit to More Pacific Operations. news.usni.org 30.01.2023.

[5] Joint Statement on Australia-U.S. Ministerial Consultations (AUSMIN) 2022. pacom.mil 07.12.2022.

[6] S. dazu Deutschlands Pazifikambitionen.

[7] S. dazu Die Fregatte Bayern auf Kolonialfahrt (II).

[8] S. dazu Illegal besetzte Inseln.

[9] Inspekteur der Marine Vizeadmiral Jan Christian Kaack: 100 Tage im Amt: „Kursbestimmung 2022“. In See, 27. Juni 2022.

[10] S. dazu Die zweite Front der Bundeswehr.

[11] Antonia Yamin: 6 Eurofighter in 24 Stunden nach Asien. bild.de 15.08.2022.

[12] Martin Fritz: Deutsche Eurofighter über Fuji. taz.de 29.09.2022.

[13] „Mini“ statt „Multi“ im Indo-Pazifik. bundeswehr.de 15.02.2023.

Dieser Bericht erschien zuerst auf dem Portal «German-Foreign-Policy»